Vorbild für Generationen

Heiner Brand war der erste Handballer, der als Spieler und Trainer Weltmeister wurde. Mit seinen Erfolgen im Verein und mit der DHB-Auswahl erlangte er Legendenstatus. Doch es gab auch Schattenseiten im Leben von Brand, der in den vergangenen Tagen 70 Jahre alt wurde.

Von Eric Dobias
Den Gedanken an eine große Party zum 70. Geburtstag hat Handball-Legende Heiner Brand schnell verworfen – allerdings nicht wegen der Corona-Pandemie, »Meinen 50. habe ich mit rund 250 Gästen gefeiert. Da fragt man sich hinterher: Mit wem hast du eigentlich gesprochen? In solch einem großen Rahmen ist das leider etwas oberflächliche, erzählte Brand. Und so feiert der Jubilar heute »nur im engsten Familienkreis mit meiner Frau, meinen Kindern und den Enkelkindern. Da hat man am meisten davon«, sagte Brand.
Anlässlich seines Ehrentages blickt er »mit großer Zufriedenheit« auf sein bisheriges, Leben. »Meine Ehe existiert schon 47 Jahre, auch mit den Kindern läuft alles gut. Und sportlich habe ich mehr erreicht, als ich je zu träumen gewagt hätte«, resümiert Brand.
Mit seinem Herzensverein VfL Gummersbach, für den er 27Jahre lang spielte, wurde er sechsmal deutscher Meister, viermal DHB-Pokalsieger und fünfmal Europacupsieger.
Doch das wird überstrahlt von den WM-Triumphen mit der DHB-Auswahl. »Die beiden WM-Titel bleiben sicherlich am meisten in Erinnerung. 1978 als Spieler -das war eine große Überraschung. Und 2007 bei einer unglaublichen Atmosphäre die Weltmeisterschaft im eigenen Land zu gewinnen, war außergewöhnlich«, sagte Brand.
Weitere Highlights als Trainer waren der EM-Titel 2004, Olympia-Silber im gleichen Jahr sowie Platz zwei bei der WM 2003 und EM 2002. Für DHB-Präsident Andreas Michelmann ist Brand »eine der größten Persönlichkeiten die wir je hatten -nicht nur im Handball, sondern im gesamten deutschen Sports«. Er diene »seit Generationenunseren Handballerinnen und Handballern als Vorbild«.
Kein Wunder, dass Brand immer noch ein gefragter Mann ist. Beim Pay-TV-Sender Sky ist der einstige Kreisläufer seit Jahren als Experte im Einsatz, darüber hinaus hält er bei Unternehmen Vorträge über Teambildung, Führung und Motivation. Hinzukommen Auftritte als Botschafter von gemeinnützigen Organisationen wie dem Deutschen Kinderhospizverein. In seiner Freizeit liest er viel -vor allem Krimis- und ist sportlich aktiv, »ob ich nun Fahrrad fahre, Golf spiele oder ins Fitnesstraining gehe. Daher ist es nie langweilig.«
Und dann ist da noch sein ehemaliger Mitspieler und langjähriger Freund Joachim Deckarm, um den er sich kümmert. »Ich besuche ihn mindestens einmal in der Woche. Die Stunde, die wir dann miteinander verbringen, tut ihm gut. Wir würfeln, reden, haben Freude«, berichtete Brand. Deckarms Unfall am 30. März 1979 im Europacupspiel des VfL Gummersbach beim ungarischen Club Tatabanya, nach dem der damals 25-Jährige 131 Tage im Koma lag und fortan im Rollstuhl saß, bezeichnet Brand als das schlimmste Erlebnis, das er je hatte: »Mich hat es dazu gebracht, das Leben schon in jungen Jahren aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Wie unwichtig eins sportlicher Erfolg ist, weil andere Dinge viel wichtiger sind. «
Auch sportlich gab es Schattenseiten. »Am meisten wehgetan hat der Boykott der Olympischen Spiele 1980, weil wir da mit großen Medaillenhoffnungen hingefahren wären «, sagte Brand. Doch die Glücksgefühle zum Jubiläum überwiegen. »Ich fühle mich gut, auch von der Seele her. Natürlich habe ich ein paar Wehwehchen, aber die waren schon eine Woche nach meinem Abschiedsspiel da«, berichtete er. Dennoch will Brand künftig kürzertreten: »Ich habe insgesamt mehr Distanz zum Handball und muss nicht mehr über alles mitreden. Mit 70 Jahren muss man nicht mehr immer in der vordersten Reihe stehen .«
Quelle:
Bericht in der Alsfelder Allgemeinen Zeitung vom 26.07.2022